Eva STENKAMP (DE)


Madagascar,
Toamasina

Fidesco Volontäre zurück von der Mission am August 2023Ärztin

„Guter Gott, du hast uns in diese Welt gestellt, damit wir sie ein bisschen besser verlassen, als wir sie vorgefunden haben.“ Das möchte ich versuchen“

Unter dieses Motto hat Eva ihre Mission gestellt. Sie hat mit ihrer Arbeit in Madagaskar begommen und sich auch schon ein wenig eingelebt. Hier teilt ihre Eindrücke mit uns:

 

 

Zweiter Missionsbericht

Nach einem halben Jahr in Madagaskar darf ich euch/ Ihnen nun im zweiten Missionsbericht von meinen bisherigen Erfahrungen erzählen. Die Zeit vergeht wie im Flug! Mittlerweile habe ich mich ganz gut eingelebt, Vieles ist zum Alltag geworden. Aber gleichzeitig gibt es immer wieder Neues bzw. einiges, was sich erst noch entwickelt.

 

Hoher Besuch

Mein Hauptarbeitsplatz ist weiterhin das medizinische Zentrum „Le Bon Samaritain“. Noch im Dezember hatten wir dort die Ehre, dass der Präsident von Madagaskar, Andry Rajoelina, zu Besuch kam. Neben dem medizinischen Zentrum hat dieser sich das Haus für junge Mütter und das zukünftige Priesterseminar angesehen. Pater Thomas ist schon längere Zeit mit ihm in Kontakt, der Präsident unterstützt die Projekte wie den geplanten Bau eines Krankenhauses unter Direktion von Pater Thomas. Zudem hat er unsere Einreise nach Madagaskar ermöglicht, als diese wegen der Covid-Pandemie noch schwierig war. Deshalb sollten sich alle Volontäre bei ihm einmal vorstellen, bevor Herr Rajoelina mit ein paar Priestern, dem Kardinal und den Schwestern gegessen hat und dann wieder abgereist ist.

 

Das Centre medicale
„Le Bon Samaritain“

Unser Team am Guten Samariter ist seit Januar deutlich gewachsen: Waren wir bis Ende 2021 noch nur zu sechst (Schwester Jain, indische Ordensschwester und Ärztin; Schwester Dona, Laborantin; Dr. Melaine, madagassische Ärztin; Julienne, verantwortlich u. a. für die Medikamentenausgabe; Bruel, Krankenpfleger; ich), sind inzwischen drei Hebammen, Annie, Angelis und Daniela, zwei Krankenschwestern, Gedia und Christin, eine Laborantin, Sarobidy, und eine weitere Ärztin, Dr. Charnny, hinzugekommen.

Auch bei der Arbeit selbst gab es Veränderungen. Zu Beginn hat noch die Betreuung der 50 Schwangeren, die in ein Projekt des Bistums aufgenommen wurden, die meiste Zeit in Anspruch genommen. Inzwischen haben diese alle entbunden, zudem läuft das Projekt inklusive der Unterstützung mit Lebensmitteln bald aus. Schwangerenvorsorge ist zwar weiterhin ein relativ häufiger Konsultationsgrund, aber es kommen mehr Patienten wegen anderen mehr oder weniger akuten Erkrankungen.

Im Dezember hatten viele einen grippalen Infekt. Covid-Tests hatten wir nicht, sodass man nur vermuten kann, dass Covid19-Fälle dabei waren. Es blieb auch nicht aus, dass wir selbst uns mal angesteckt haben. Anfang Januar war die madagassische Ärztin Dr. Melaine für eine Woche im Urlaub. Da Schwester Jain zu dem Zeitpunkt mit Fieber im Bett lag, habe ich die Konsultationen zunächst alleine mit dem Pfleger Bruel als Übersetzer übernommen.

 

Arbeit unter erschwerten Bedingungen

Für mich ist es weiterhin nicht ganz einfach vollkommen selbstständig zu arbeiten. Zu einem großen Teil liegt es natürlich an der Sprache: Ich kann die Symptome einfach nicht so genau erfragen, wie ich es gerne möchte. Auch einem Übersetzer zu erklären, was genau ich von den Patienten wissen möchte, ist nicht immer einfach – zumal ich erst seit Oktober richtig französisch lerne. Dazu kommt aber, dass ich auch das breite Spektrum der Erkrankungen nicht gewohnt bin. In Deutschland habe ich lediglich in der inneren Medizin, Gastroenterologie und Kardiologie, gearbeitet. Hier kommen viele Schwangere, Frauen mit anderen gynäkologischen Problemen, Leute mit Hauterkrankungen, Kinder etc. Zwar habe ich natürlich im Studium alle Fachrichtungen gehabt, aber das ist schon einige Zeit her und ohne praktische Erfahrung geht viel Wissen wieder verloren. Dennoch habe ich inzwischen einiges wieder gelernt und aufgefrischt – von den Ärztinnen, mit denen ich arbeite, und im Eigenstudium Zuhause. Natürlich sind die therapeutischen und diagnostischen Möglichkeiten hier recht anders als in Deutschland. Die Patienten müssen alles selbst bezahlen, was bei dem niedrigen Lohnniveau schwierig ist. Daher muss man sich gut überlegen, welche Diagnostik wirklich erforderlich ist.

Seit einigen Wochen behandeln wir beispielsweise Bebe. Sie ist 80 Jahre alt und wiegt bei einer Größe von schätzungsweise 145 cm nur 31 kg. Sie kam zu uns mit deutlicher Luftnot. Nach Anamnese und körperlicher Untersuchung war eine Herzinsuffizienz am wahrscheinlichsten, beim Abhören war zu hören, dass sich Flüssigkeit in der Lunge befand. Wir haben sie zunächst mit Medikamenten behandelt, die das Wasser ausschwemmen sollen. Eine weitere Abklärung der Ursache wäre natürlich sinnvoll, ist für Bebe aber schwierig. Ein Herzultraschall, für den wir die Patienten zu einem anderen Zentrum schicken müssen, weil wir noch nicht über ein entsprechendes Gerät verfügen, kostet hier 160.000 Ariary (ca. 36 €). Zum Vergleich: ein einfacher Angestellter des Bistums verdient nur gut 200.000 Ariary! Bebe hat das Geld nicht, ihre Kinder unterstützen sie wohl auch kaum. Bekannte haben für sie zusammengelegt, sodass sie inzwischen immerhin ein EKG und ein Röntgen des Thorax (zusammen 30.000 Ariary) machen lassen konnte. Beides stützt unseren Verdacht einer Herzinsuffizienz. Nachdem sie über einige Tage die Wassermedikamente bekommen hat, geht es ihr deutlich besser, jetzt beginnen wir vorsichtig mit Medikamenten, die die Herzkraft etwas verbessern sollen.

 

Covid19- und andere Projekte

In meinem letzten Missionsbericht habe ich erzählt, dass ein Impfprojekt schon kurz bevor steht und ich bald in die Dörfer/ Gemeinden fahren werde. Pater Thomas spricht darüber bereits, seit ich angekommen bin, dennoch habe ich bisher nur in Toamasina gearbeitet. Er meinte gleichzeitig schon von Anfang an, dass ich lernen müsse, was „moramora“ bedeutet – madagassisch für langsam/ behutsam/ immer mit der Ruhe. So gut wie gedacht klappt die Umsetzung mancher Pläne nicht, auch ändern sich Pläne immer wieder. Kein Wunder: Pater Thomas hat mehr als 30 weitere Projekte geplant – von eher kleineren Sachen wie Solaranlagen für das Priesterseminar und das Radio über ein erneutes Projekt zur Betreuung von Schwangeren bis hin zu Schulen für Journalisten oder zur Ausbildung von Leuten vom Dorf. Wenn man so viel gleichzeitig macht und organisiert, ist es normal, dass sich immer wieder etwas verzögert.

Dennoch geht es mit dem Covid19-Impfungsprojekt inzwischen vorwärts. Das Team des ODDIT (= Organe de Developpement du Diocèse de Toamasina), das sich um die Umsetzung kümmert, war inzwischen zu Schulungen bei uns. Einfach in ein Dorf zu fahren und die Leute dort zu impfen, ist nämlich nicht möglich. Das Misstrauen scheint zu groß zu sein. Ein erster Schritt ist folglich, Vertrauen aufzubauen, sowie die Menschen über die Erkrankung und die Impfung aufzuklären. Inhalte der Schulung waren daher neben Symptomen von Covid19, Hygienemaßnahmen, Quarantäneregeln etc. auch Techniken zur effektiven Kommunikation. Mittlerweile sind die ersten der neu eingestellten Pfleger und Hebammen losgefahren, um für Covid19 zu sensibilisieren. In Madagaskar sind bisher nur 3,5 % der Bevölkerung geimpft.

 

Da Aufklärung wegen der Sprachbarriere für mich nicht möglich ist, bin ich am Impfprojekt kaum beteiligt. Pater Thomas möchte dieses aber mit einem weiteren Projekt, einer mobilen Klinik, verbinden, sodass auch Schwester Jain und ich bald („nächste Woche“) mit ins Dorf fahren sollen. Doch auch Konsultationen kann man wohl schlecht einfach nur anbieten. Deshalb werden wir zu Beginn von einem Priester begleitet und erst mal klein anfangen, beispielsweise mit Hausbesuchen und Kennenlernen, um Vertrauen aufzubauen. Der Bedarf ist sicherlich da, weil es auf dem Land fast keine Ärzte gibt und viele Menschen dort wohl noch nie in ihrem Leben bei einem Arzt waren. Andererseits herrscht auch eine große Skepsis. In Madagaskar soll die Angst vor Organdiebstahl weit verbreitet sein. Auch Pater Marc, einer der Priester, mit dem wir im Bistumshaus gewohnt haben, hat erzählt, dass er als Kind große Angst davor hatte, dass man ihn bei einer Behandlung einfach schlafen lassen würde und er dann ohne Niere oder sogar ohne Herz „aufwacht“. Diese Angst scheint auch ein Grund zu sein, warum wir noch eher wenige Patienten im medizinischen Zentrum der Barmherzige Samariter haben. Vor der Eröffnung schrieben die Medien wohl, dass das geplante Krankenhaus das erste in Madagaskar werden solle, in dem Nierentransplantationen möglich werden. Dies bezog sich auf eine Aussage des madagassischen Präsidenten. Die Artikel haben die bereits bestehende Angst, dass einem bei uns Niere, Herz etc. geklaut werden könnten, natürlich verstärkt. Dem wollen wir Schritt für Schritt entgegen wirken, aber das braucht selbstverständlich Zeit.

 

Sprechstunde im Gefängnis

Ein Projekt, das inzwischen recht gut angelaufen ist, ist das Gefängnisprojekt. Seit Anfang des Jahres bin ich zunächst zusammen mit Charnny in den Sektor der Frauen und der Minderjährigen gegangen, um dort Sprechstunden anzubieten. Nachdem Dr. Melaine unser Team verlassen hat, ist Charnny nun hauptverantwortlich für die Behandlungen im guten Samariter. Folglich gehe ich nun alleine als Ärztin zum Gefängnis. Die Behandlungen dort sind noch einmal schwieriger als im medizinischen Zentrum. Für die Konsultationen wird einfach ein Tisch im überdachten, aber offenen Gemeinschaftsplatz aufgestellt. Es gibt somit keinerlei Privatsphäre, geschweige denn eine Untersuchungsliege. Man muss möglichst nur mit Stethoskop, Fieberthermometer, Blutdruckmessgerät und Malariaschnelltests zurechtkommen. Die Insassen können nur ausnahmsweise das Gefängnis für Untersuchungen wie eine Sonographie verlassen und nur, falls die Familie die Untersuchung bezahlt. Glücklicherweise habe ich aber bisher nicht allzu schwere Fälle dort gehabt. Relativ häufig, gerade unter den Minderjährigen, sind Hautausschläge. Bei vielen helfen bereits ein paar Hygienehinweise, auch wenn die nicht unbedingt einfach umzusetzen sind im Gefängnis. Natürlich sind dort grippale Infekte ebenfalls nicht so selten.

 

 

Bei meinem letzten Besuch habe ich einen 19-jährigen Patienten gesehen. Er hatte schon bereits seit einem Monat Fieber sowie Husten und anfangs Durchfall. Außerdem hat er deutliche Hinweise auf eine Blutarmut. Der Malariatest war negativ. Er hatte bereits selbst unregelmäßig ein Antibiotikum eingenommen. Sie sind frei verkäuflich in den Apotheken oder sogar auf dem Markt, was dazu führt, dass sie meiner Meinung nach viel zu schnell eingenommen werden. Ich habe Andreas, dem Patienten, unter anderem ein anderes Antibiotikum aufgeschrieben. Glücklicherweise ist seine Familie bereit sich um seine Medikamente zu kümmern. Bei der Kontrolle in der darauffolgenden Woche ging es ihm bereits wesentlich besser.

Zum Übersetzen begleitet mich Wendy, eine 27-jährige Madagassin. Sie arbeitet schon lange für die Menschen im Gefängnis und geht ganz in ihrer Arbeit auf. Wendy organisiert auch, teilweise mit Unterstützung durch andere Volontäre, Französischkurse, Zumba, Nähklassen etc. Während meiner Konsultationen schreibt sie sich, soweit möglich, die Telefonnummern der Angehörigen auf, um sie kontaktieren zu können, damit diese die notwendigen Medikamente kaufen. Die Medikamente in der „Gefängnisapotheke“ sind uns nämlich inzwischen größtenteils ausgegangen. Wir sind dabei, neue zu kaufen, doch dauert das unerwartet lange. Zudem reicht das Geld, was dem Projekt zur Verfügung steht, leider nicht um zum Beispiel Blutdruckmedikamente für einzelne Personen lebenslang zu bezahlen. Für Insassen, deren Familien den Kontakt vollständig abgebrochen haben, ist es daher sehr schwierig, eine vernünftige Behandlung zu bekommen.
Der Jahreswechsel und das Leben im Haus Curé d’Ars

Abgesehen von der Arbeit verbringe ich relativ viel Zeit mit meinen Mitbewohnerinnen. Wir haben uns inzwischen ganz gut in unserem Haus Curé d’Ars eingelebt. Jedoch gab es dort ebenfalls einen Wechsel: Mitte Januar ist Madeleine zu uns gezogen ist, eine 22-jährige Studentin der Kommunikationswissenschaften aus Frankreich, die für das katholische Radio arbeitet. Dafür hat Victoire, eine 33-jährige Französin, ihre Mission Ende Februar planmäßig nach einem Jahr beendet. Sie hatte sich mit wirklich sehr viel Elan unter anderem für das Gefängnis- und ein Antikorruptionsprojekt engagiert. Diese werden nun überwiegend von Gaeton, einem anderen Volontär der „Société des Missions Etrangères“ (MEP), übernommen.

Am zweiten Januar wurden wir anlässlich des Festes Heilige Drei Könige zu einer besonderen Messe eingeladen. Wie die Weisen aus dem Morgenland sollten wir verschiedene Länder vertreten, die durch Christus zusammengeführt werden. So sind Madeleine aus Frankreich, Schwester Dona aus Indien und ich aus Deutschland mit in die Kirche eingezogen, haben uns vorgestellt und später das Vater Unser und den Friedensgruß in unserer Muttersprache ins Mikrophon gesprochen. Die Predigt hatte der Priester auf Madagassisch und zusammenfassend auf Französisch gehalten, damit wir auch etwas mehr verstehen. Es war wirklich eine schöne Messe. Von einigen Madagassen aus der Gemeinde wurden wir hinterher darauf angesprochen, wie schön es war, dass wir mit ihnen gefeiert haben. Auch Dr. Melaine, die meist jeden Sonntag in diese frühe Messe um 6:30 Uhr geht, hat sich über unsere Anwesenheit sehr gefreut. Andererseits hat sie mich ebenfalls immer wieder mit ihren einfachen Glaubensbekenntnissen berührt. Zum Beispiel haben wir über ein angekündigtes schweres Unwetter gesprochen. Ich meinte, dass wir es wohl auf uns zukommen lassen müssten und was wir denn schon tun könnten, worauf sie sowas sagte wie „zu Gott beten“. Auch wenn ich selber auf Gott vertraue, beeindruckt es mich, von anderen so ein Zeugnis in einem Gespräch ganz nebenbei und selbstverständlich zu hören.

Ich möchte mich noch mal ganz herzlich bei euch und Ihnen allen bedanken, dass ich durch eure/Ihre Unterstützung hier überhaupt arbeiten und diese vielen Erfahrungen machen kann!

Erster Missionsbericht:

Ankunft in Madagaskar

Am 30. November bin ich geflogen – ein wenig später als geplant. Durch die Covid-Situation war es schwierig, einen Flug zu buchen, sodass unser Abflugtermin immer wieder verschoben wurde. Letztlich habe ich erst einen Tag von meiner Abreise erfahren, dass die Genehmigung für unsere Einreise nach Madagaskar vorliegt, das Ticket konnte ich erst am Morgen des Fluges buchen und schon knapp vier Stunden später war ich unterwegs zum Bahnhof, um mit dem Zug nach Paris zu fahren. Nach den üblichen Problemen mit der Deutschen Bahn kam ich in aller letzter Minute am Flughafen Charles-de-Gaulle an…

Aber: Am Ende saß ich im Flugzeug neben meiner Covolontärin Gabrielle und wir flogen tatsächlich nach Madagaskar!

 

Erster Eindruck

Nach einer fünf-tägigen Quarantäne im Hotel verbrachten wir ein paar weitere Tage in einem Bistumshaus in Antananarivo, der Hauptstadt Madagaskars. Die Stadt hat knapp 1,3 Millionen Einwohner, die Straßen sind voller Menschen, Autos, Rollern, von Männern geschobenen Karren etc. Schon das Überqueren der Straßen war eine Herausforderung für mich und Gabrielle. Als Weiße fallen wir sehr auf, ständig hört man das Wort „Vazaha“, die madagassische Bezeichnung für die Weißen, und wird von vielen Leuten angesprochen. Es gibt auch sehr viele Bettler und gerade wenn Kinder um Geld bitten und einem mit „Madame, j’ai faime“ – Madame, ich habe Hunger – hinterher laufen, geht man mit einem sehr schlechten Gefühl weiter.

 

Die Fahrt nach Toamasina war, gemessen am deutschen Standard, etwas abenteuerlich: Wir sind mit einem alten Minibus gefahren, die Koffer wurden oben drauf befestigt, es gab weder Gurte noch Airbags. Neben Gabrielle und mir saßen darin auch die Fidesco-Volontäre Guillaume und Quitterie mit ihren Kindern Isaure (7 Monate), Alix (2 Jahre) und Brune (4 Jahre). Die Straße war zwar asphaltiert, hatte aber viele große Schlaglöcher, weshalb die Fahrzeuge die Straßenseite wechselten, um diesen auszuweichen. Die Überholmanöver sind oft recht riskant, zumal man wegen der vielen Kurven nicht weit sehen kann. Aber letztlich sind wir sicher angekommen.

 

Unsere Unterkunft

Nach unserer Ankunft in Toamasina sind wir zunächst ins Bistumshaus eingezogen. Wir blieben sieben Wochen dort und aßen mittags und abends gemeinsam mit den dort lebenden Patres, einem Frater und häufig auch mit dem Kardinal. Désiré Tsarahazana ist wirklich ein sehr sympathischer Mann, mit dem man gut und leicht ins Gespräch kommen kann. Auch bei den Nicht-Christen in Toamasina ist er sehr angesehen und beliebt. Er hat ein offenes Herz und Ohr für die Menschen.

Als endlich alles vorbereitet war – und wir stundenlang geputzt und umgeräumt hatten – zogen Gabrielle und ich mit Victoire und Estelle, Volontären einer anderen Organisation, in ein eigenes Haus um.

 

 

Leben in Madagaskar

Das eigene Haus bedeutet mehr Freiheit und Unabhängigkeit für uns – aber auch, dass wir nun selbst kochen und einkaufen und auf weitere Annehmlichkeiten wie warmes Wasser oder WLAN verzichten müssen. Internet ist in Madagaskar allgemein noch sehr schlecht ausgebaut. Stand 2016 hatten weniger als 5 % der Madagassen einen Internetanschluss und auch mit mobilen Daten hat man oft eine schlechte Verbindung. Außerdem ist es, wenn man das durchschnittliche Einkommen berücksichtigt, recht teuer. Sogar fließendes Wasser ist fast ein Luxus, über den viele Madagassen nicht verfügen. Einkaufen gehen die Madagassen fast ausschließlich auf dem Markt, wo es wirklich so ziemlich alles zu kaufen gibt: Obst, Gemüse, Fleisch, Töpfe, Teller, Schreibwaren, Kleidung etc. Supermärkte gibt es zwar auch, aber die Produkte dort sind meist importierte Ware und für viele Madagassen kaum bezahlbar.

 

 

Glaubensleben

Meistens gehe ich sonntags zusammen mit Gabrielle in die Kirche, auch wenn die Messe auf Madagassisch ist. Glücklicherweise ist der Ablauf einer katholischen Messe ja überall gleich. Ein Highlight bisher war eine Pilgerreise der Diözese Toamasina. Dazu sind wir an einem Samstag mit dem Bus ca. 3 Stunden zum Ort Andovoranto gefahren. Begonnen hat das Programm  mit einem etwa 3 km langen Kreuzweg – bei um die 30 °C sehr anstrengend. Auf einem großen Platz – mit dem Meer hinter uns – fand gegen Abend eine Messe statt. Die ganze Nacht über gab es Programm mit Vorstellung/ Tanz der einzelnen Pfarreien auf der Bühne.

 

Doch wer konnte, hat auf demselben Platz dennoch geschlafen: Auf einfachen Strohmatten auf dem Boden, eingeengt zwischen den vielen anderen Leuten. Es ist echt beeindruckend, dass Jung und Alt so pilgern! Die Bedingungen dort waren einfacher als beim Weltjugendtag. Dennoch haben sich alle für die Messe am Sonntag richtig fein gemacht – wir hatten damit nicht gerechnet und fielen deshalb als die einzigen Frauen ohne schicke Kleider noch mehr auf als ohnehin schon!

 

 

Meine Mission

Nach einigen Tagen, die ich zum Ankommen und Kennenlernen der Stadt nutzen konnte, habe ich meine Arbeit im medizinischen Zentrum „Le Bon Samaritain“ (der barmherzige Samariter) begonnen, welches im Januar 2021 feierlich eröffnet worden war. Geleitet wird es von indischen Schwestern der Gemeinschaft der Assisi-Sisters of Mary Immaculate.

Neben den Schwestern, der Ärztin Schwester Jain und der Laborantin Schwester Dona, arbeiten dort ein Krankenpfleger namens Bruel, Julienne, die für die Medikamentenausgabe verantwortlich ist, und vormittags Dr. Melaine, eine madagassische Ärztin. Geöffnet ist es montags bis freitags von 08:00 bis 11:30 Uhr und von 14:30 bis 16:45 Uhr, samstags nur am Vormittag. Neben zwei Konsultationsräumen, einem Behandlungsraum und der Apotheke gibt es dort auch einen „Kreissaal“ und einen Bettensaal.

 

Eine der Hauptaufgaben dort zurzeit ist die Betreuung von Schwangeren. 50 bedürftige Frauen wurden in ein Projekt des Bistums aufgenommen und kommen wöchentlich zu uns, jeden Wochentag eine Gruppe von 10 Frauen. Sie werden regelmäßig körperlich untersucht, werden zu Themen wie Stillen, Hygiene, Alkohol/ Tabak und Schwangerschaft geschult, erhalten Antimalariamittel, Eisentabletten und andere Medikamente, Ultraschall- und Laboruntersuchungen finden statt – alles, was zur Schwangerenbetreuung eben dazu gehört. Zudem bekommen sie Lebensmittel für eine Woche: 14 Becher Reis, 7 Becher getrocknete Bohnen und Ähnliches sowie 0,5 l Öl. Noch werden die Frauen sowohl für die Blutuntersuchungen als auch für die Sonographien zu einem anderen Arzt geschickt, auch wenn die Kosten durch das Projekt übernommen werden. Auch die Geburten finden noch nicht bei uns statt. Das soll sich aber im Verlauf ändern. Momentan ist noch vieles im Aufbau: Bei meiner Ankunft waren die Gebäude für die zukünftige Entbindungsstation noch nicht ganz fertig gestellt. Mittlerweile sind sie gestrichen und nachdem Container mit Material aus Europa angekommen sind, haben wir auch dort einige Betten und Tragen sowie einen Operationstisch, ein C-Bogen zum Röntgen, ein Beatmungsgerät und so weiter. Außerdem stapeln sich im Haus der Ordensschwestern, die direkt beim Krankenhaus wohnen, kistenweise Masken, Handschuhe, Desinfektionsgel, Besucherkittel, es gibt jede Menge Rollstühle, einige Überwachungsmonitore und vieles mehr. Gegen Mitte Oktober wurde mit dem Bau eines Labors begonnen, auch dafür sind Geräte wie eine Zentrifuge angekommen.

  

Vor meiner Ankunft hatte ich mich bereits etwas scherzhaft gefragt, ob ich nicht zunächst einmal mit bauen muss anstatt medizinisch tätig zu sein. Das ist natürlich nicht der Fall – aber ich helfe schon beim Sortieren der Kisten, Auspacken der Geräte, Verteilen der Betten etc. auf die Räume im Krankenhaus oder auch beim Putzen. Ende November wurde das Krankenhaus mit der Entbindungsstation zusammen mit einem Haus für junge Mütter auf dem gleichen Gelände eingeweiht, sodass bis dahin alles ordentlich sein musste.

Die meiste Zeit bin ich aber natürlich im medizinischen Zentrum und begleite die madagassische bzw. am Nachmittag die indische Ärztin bei den Konsultationen und führe Malariatests oder die Untersuchung der Schwangeren durch. Auch bei den Schulungen der Schwangeren bin ich dabei – verstehe aber nur sehr wenig. Sowohl die Frauen als auch die anderen Patienten, die in unser Zentrum kommen, gehören zum armen Teil der Bevölkerung und sprechen nur madagassisch. Madagassisch gehört zu den austronesischen Sprachen und ist als solche beispielsweise mit der Sprache der Philippinen verwandt – mit unserer aber leider gar nicht. Die Sätze beginnen mit dem Prädikat, das Subjekt folgt (in kurzen Sätzen) erst am Ende, es werden sehr häufig Passivkonstruktionen verwendet. Beispielsweise bedeutet „Vidiko ny satroka“ wörtlich übersetzt „gekauft-werden-von-mir“ (= vidiko) der (= ny) satroka (= Hut). Kurzum: Madagassisch ist sehr schwer.

Viele Leute sprechen auch Französisch, die zweite Amtssprache. Mittlerweile sind meine Kenntnisse darin gut genug, um mich unterhalten zu können. Doch um wirklich alleine die Patienten vernünftig behandeln zu können, muss ich auch Madagassisch lernen. Noch übersetzt Dr. Melaine für mich auf Französisch bzw. Schwester Jain auf Englisch. Zumindest verstehe ich mittlerweile anhand einiger Schlüsselwörter, warum die Patienten da sind. Der Wechsel zwischen den verschiedenen Fremdsprachen ist aber nicht immer einfach.

Wie bereits angedeutet, sind unsere Möglichkeiten aufgrund der erst nach und nach eintreffenden Geräte noch eingeschränkt. Bei einer jungen Dame mit einem großem Abszess am Kinn mussten wir uns bei der Behandlung noch ohne Skalpell behelfen, um den Eiter zu entleeren. Wer deutlich angeschlagen ist, wird tagsüber auch per Infusionen in einem der Betten behandelt. Einem Herrn, bei dem wir Malaria festgestellt haben, konnte man wirklich nach den Infusionen und Beginn der Malariatherapie schon nach relativ kurzer Zeit eine deutliche Verbesserung ansehen. Auch der genannte Abszess ist gut verheilt. Es ist schön zu sehen, wenn wir den Leuten wirklich helfen konnten.

 

Weitere Projekte

Neben den bereits erwähnten Frauen kommen noch eher wenige Patienten. Ich bin mir aber sicher, dass das nicht so bleiben wird. Der Zugang zum medizinischen Zentrum soll verbessert werden. An der Auffahrt und einer Haltestelle wird gerade gearbeitet. Mehr Werbung ist auch nötig, damit die Menschen überhaupt wissen, dass sie zu uns kommen können. Für mein Projekt verantwortlich ist Pater Thomas, ein indischer Priester, der bereits seit ca. 25 Jahren in Madagaskar und seit 5 Jahren in Toamasina lebt. Er hat unglaublich viel vor, um den Leuten zu helfen, die wirklich Hilfe benötigen.

Da gibt es zum einen auch das „Maison des filles mères“, das Haus für junge bzw. minderjährige Mütter, welches Ende November eröffnet wurde und wo Anfang nächsten Jahres die Ersten einziehen sollen, um dort gemeinsam zu leben und Nähen, Kochen, Französisch usw. zu lernen, um auf andere Weise als häufig durch Prostitution Geld verdienen zu können.

Ein weiteres Projekt betrifft das Gefängnis von Toamasina, das vollkommen überfüllt ist. Gebaut wurde es für 350 Leute, zurzeit leben dort aber über 1200. Es gibt weder genug Betten noch genug zu essen, die Insassen bekommen nur Maniok, es sei denn, ihre Familien versorgen sie mit Nahrung. Hauptziel des Projektes ist es, mit Hilfe von Anwälten möglichst viele aus dem Gefängnis raus zu bekommen, da die Überfüllung das Hauptproblem ist – einige haben ihre Strafe eigentlich schon abgesessen. Aber auch das alltägliche Leben der Inhaftierten soll verbessert werden, ebenso wie die medizinische Versorgung. Zwei Mal wöchentlich kommt zurzeit ein Arzt für jeweils drei Stunden, was jedoch nicht ausreicht, um alle Kranken zu sehen. Wir werden ab Januar das Team dort unterstützen und ebenfalls Konsultationen durchführen. Geplant ist außerdem einen „mobile Klinik“ zur Impfung gegen Covid 19. Bereits nächste Woche soll ich mit in verschiedene Gemeinden fahren, um die Leute zu impfen.

 

Es kommt also noch einiges an Arbeit auf mich zu. Mit dem Lernen von Madagassisch und Medizin vergehen die Tage ohnehin schon viel zu schnell. Doch ich freue mich sehr auf die nächste Zeit – und bin selbst gespannt, was ich euch/ Ihnen in drei Monaten berichten kann!

 


 

Altere Beiträge:

 

Mein Name ist Eva Stenkamp und bin 28 Jahre alt. Seit zweieinhalb Jahren arbeite ich als Ärztin in der Inneren Medizin im Bocholter Krankenhaus. Ende September habe ich meine Zelte hier abgebrochen und bin nach nach Madagaskar geflogen.

Warum ich weg gegangen bin, liegt zum einen daran, dass ich Lust darauf habe, ein neues Land, eine andere Kultur und andere Menschen kennen zu lernen – und einfach eine gewisse Abenteuerlust. Zum anderen bin ich dankbar dafür, dass ich das Glück habe, unter so guten Umständen aufgewachsen zu sein: Ich durfte studieren, was ich gerne wollte, habe einen sehr guten Job etc.. Wenn ich mal krank bin, kann ich sofort medizinische Hilfe bekommen. Für viele Menschen ist nichts davon selbstverständlich. Vielleicht kann ich ein bisschen von dem, was ich geschenkt bekommen habe, mit anderen teilen. In einem Gebet, das ich schon seit der Schulzeit im Ohr habe, heißt es: „Guter Gott, du hast uns in diese Welt gestellt, damit wir sie ein bisschen besser verlassen, als wir sie vorgefunden haben.“ Das möchte ich versuchen – in Deutschland und für die nächsten zwei Jahre eben in Madagaskar mit Fidesco.

 

„Le bon Samaritain – Der barmherzige Samariter: Ein Medizinisches Zentrum in Toamasina“

Die Erzdiözese Toamasina hat erste Gebäude des das „Catholic Medical Center“ unter dem Namen „BON SAMARITAIN“ bereits im September 2019 eingeweiht. 4 km von der Innenstadt von Toamasina entfernt liegt es im Bezirk Betainomby. In seiner Predigt bei der Einweihung erinnerte Kardinal Tsarahazana daran, dass die Idee der Einrichtung dieses medizinischen Zentrums zur Pflege der Kranken nichts anderes ist als die Erfüllung dessen, was Jesus im Evangelium gesagt hat. Das Zentrums wird viele Gesundheitsprobleme der Bevölkerung von Toamasina, die in extremer Armut lebt, lösen. Die Kongregation der Schwestern „Assisi Sisters of Mary Immaculate – Franziskanerinnen der Unbefleckten Jungfrau Maria“ (ASMI) aus Indien, wird die Leitung des Zentrums übernehmen. Eva wird als Ärztin beim Aufbau des Klinikzentrums mitarbeiten.

 

 

Missionsort. Toamasina, Madagasgar
Mission vor Ort:
Eva: Ärztin

 

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In einem Gebet, das ich schon seit der Schulzeit im Ohr habe, heißt es: „Guter Gott, du hast uns in diese Welt gestellt, damit wir sie ein bisschen besser verlassen, als wir sie vorgefunden haben.“
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